Das steigernde Gleichnis

Alle Menschen sind gleich, nur sind manche gleicher.
Gleich, gleicher, am gleichsten.
Bleich, bleicher, am bleichsten.
Weiß, weißer, am weißesten.
Schwarz, schwärzer, am schwärzesten.
Stufen des Rassismus.
Ein bisschen rassistisch ist so wie etwas schwanger.
Ein Ding der Unmöglichkeit.
Rassist, Nazi, Hitler wäre da die Steigerung.
Die will aber keiner mitmachen.

Nazikeule, Nazikeule in meiner Hand,
Was ist nur los in meinem Land?
Spieglein, Spieglein an der Wand,
Rassisten gibt es leider allerhand.
Das Märchen der Gleichheit.

Ein böser Asylbewerber! Abschieben? Klar!
Wenn SIE – DIESE MENSCHEN – kriminell werden, das ist doch logisch.
Besonders Frauen müssen wir schützen.
Unsere Frauen.
Ich bin eine Frau, aber einen Vergewaltiger, einen Menschen mit Gewaltphantasien anderen Frauen in einem anderen Land auf den Hals hetzen?
Einen Mörder in ein anderes Land schieben um ihn dort weitermorden zu lassen?
Nein. Nein! Menschen, die zufällig NICHT in meinem Blickfeld sind, sind nicht weniger Wert als die Menschen, die darin leben.
Nicht weniger Wert als ich.

Manche Leben erscheinen manchen wichtiger als andere.
Wichtig, wichtiger, am wichtigsten.
Beschützt, beschützter, am beschütztesten.
Falsch, falscher, am falschesten.
Ein syrisches Baby und ein deutsches Baby.
Nur eins kann gerettet werden
Wen schütze ich?
Kann ich über den Wert entscheiden? Nein.
Aber ich habe zwei Arme. Ich nehme beide auf.
Beide sehen mich mit kindlicher Unschuld in den Augen an.
In mir erwacht das was in jedem Menschen erwachen sollte, wenn man auf dieser Welt lebt:
Liebe. Das Gefühl der Verantwortung.
Und ich flüstere beiden zu:

“Ihr seht vielleicht nicht gleich aus,
Eure Stimmen sind unterschiedlich,
Ihr braucht beide unterschiedliche Dinge.
Aber in meinem Herzen liebe ich euch gleich.
Die Liebe ist gleich.”

 

Funda Doğhan

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