Für mein zehnjähriges Ich

Für mein zehnjähriges Ich. 
Für jedes Kind des Krieges. Ich sehe dich. 
Es tut mir leid, dass dir deine Kindheit genommen wurde.
Es tut mir leid, dass du dich schämst.
Es tut mir leid, dass du dachtest, du wärst anders.
Es tut mir leid, dass sie euch getrennt haben. 
Es tut mir leid, dass sie dir deine Freiheit und deine Rechte genommen haben.
Es tut mir leid, dass du geglaubt hast, alles sei deine Schuld.
Es tut mir leid, dass sie dich nicht als den Menschen gesehen haben, der du bist. 
Es tut mir leid, dass sie dich glauben ließen, dass ihre Ignoranz das ist, was du verdienst. 
Es war nie deine Schuld, du hättest nie getrennt werden dürfen, du warst genauso, weil wir alle so sind, du hattest nie einen Grund, dich zu schämen. 

Denn mein zehnjähriges Ich, ein Flüchtlingskind, steckte in einer Welt fest, in der die Schuld an die falsche Person gebracht wurde. 

Es war nicht deine Schuld, dass wir weg mussten und wegliefen, es war nicht deine Schuld, dass wir in dieser großen Stadt eingesperrt waren, es war nicht deine Schuld, dass die Kleidung, die du trugst, mit Einkaufsmarken eingekauft werden musste, weil sie jede Faser deines Lebens diskriminieren wollten. 

Es war nicht deine Schuld, dass deine Eltern die deutsche Sprache nicht beherrschten, es war nicht deine Schuld, dass du keinen Pass hattest, ihre Unwissenheit war nicht deine Schuld.

Für die Unwissenden: Schämt euch, dass ihr dachtet, ihr könnt eine Meinung haben, schämt euch, dass ihr euch das Recht nehmt, zu urteilen, ohne es zu wissen, schämt euch, Sprachkenntnisse zu kritisieren, schämt euch, jemals ein Wort gegen Flüchtlinge gesagt zu haben, jemals gewünscht zu haben, dass wir nicht da wären.  Schämt euch, uns anzusehen, als ob wir nicht hierher gehören, denn wir gehören hierher. Ihr habt mehr als Glück, dass ihr nicht versteht, was wir durchgemacht haben.

 Das ist unser Zuhause. Das ist mein Zuhause.

Andrea Vidovic

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