Kusuma

Umgeben von hell grünen Grashalmen, die frisch von der Sonne geküsst, erwachsen sind, sitze ich auf ihnen. Zwischen mir und ihnen mein endlich abgelegter Wintermantel. Die Grashalme tänzeln im Rhythmus des Windes, der von meiner Haut die Wärme wegträgt. Alles scheint in Bewegung zu sein. Alles scheint vergänglich zu sein.
Es war ein schwerer Weg, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Ein viel zu schwerer, der seinen Anfang in einer Psychose fand. Allein diese Worte aufzuschreiben und jetzt gerade zum ersten Mal laut auszusprechen, versetzt mir einen Schub ins Jenseits, trägt mich weit weg von der Realität. Dieses Gefühl nicht wach zu sein, zu laufen, aber den Boden nicht zu spüren, gestreichelt zu werden, doch die Berührung nicht zu spüren, als wäre die gestreichelte Haut nicht meine, als würde ich jemanden beobachten, der eben dieses Gefühl verspüren müsste, es jedoch nicht tut. Der durchgehend zu schnelle Herzschlag das einzige wahrnehmbare Gefühl, das meinem lebenden toten Körper zugeordnet werden kann. Momente der schweren Gedanken als Auslöser. Viel zu viele von diesen Momenten.
Ein älterer Mann in Indien traf mich in ebenso einem dieser Momente. Ich sitze auf den heiligen Stufen und blicke auf das reinigende, heilige Wasser, das alles andere als rein ist. Der Glaube daran zählt. Meine Realität spiegelt sich auf der Wasseroberfläche: Gebäude, Gebetsfahnen, an mir vorbeilaufende Frauen, Männer, Kinder, Hunde und Kühe. So nah an mir dran, doch so weit weg. Ich atme und atme, versuche meine Gedanken zur Stille zu bewegen, doch mein Herzschlag bleibt gleich rasend. Alles scheint unreal, nur meine panischen Gedanken scheinen der letzte Anker zur Realität zu sein. Er steht vor mir, sieht mich an, ein Blick voller Güte und dennoch mit leichter Wut. Ein durchdringender Blick, ein gruselnder Blick. Er scheint mich zu erkennen. Aber woher diese gruselnde Wut? Ich völlig hilflos auf diesen Treppen und er auffordernd vor mir. Wohl ist nichts gruselndes in seinem Blick, aber ich sehe alles durch diese Brille. Wut ist aber sicher da. Vielleicht ist die Wut da, dass ich in diesem Zustand verharre und nicht endlich die Augen für die Realität öffnen will. Ich sehe uns. Mich sitzend, langsam aufrichtend, um ihm mit Respekt zu begegnen. Alles automatisch, so automatisch, dass meine Bewegungen auf mich selbst zu sehr roboterhaft wirken. Abgleich: Verhalte ich mich normal? Sieht man mir an, dass ich nicht glaube hier zu sein? Dass ich mich anders bewege? Alles von außen. Ich bin nicht in mir. Und der Gedanke, dass er das erkenne, mich erkenne, beruhigt mich gar nicht. Er schaut mich an und ich denke, erkennen zu können, er habe erst jetzt völlig verstanden und er fängt an zu sprechen:
Er erzählt mir eine Geschichte – eine Geschichte über die Welt. Über das Verständnis der Welt, die ihr ganzes Wissen in einer Erkenntnis trägt. Im Immateriellem wie auch Materiellem, Totem und Lebendigem. Die längste Geschichte meines Lebens, bestehend aus nur einem Satz. Die Blume wächst, verwelkt, und ist fort. Vergänglichkeit. Das ganze Universum basiert auf dieser Formel. Meiner erlösenden Formel.
Er sieht mich nochmals an und sagt zart: Ich hoffe, du verstehst. Alles vergeht – Die Blume, Ich, Du, Dein Leid.
Er lächelt mich an, wie es nur ein Mensch kann, der diese Weisheit begriffen hat und er geht fort. War das nun wirklich geschehen? Meine Gedanken entscheiden sich für ein lautes liebevolles Ja! Ich schaue auf die Reflexionen auf der Wasseroberfläche. Die Menschen laufen, sprechen, lachen, beten, essen, bewegen sich, so wie sie es vorher taten. Es ist nun aber alles meine Realität.
Seine Worte hallen in meinem Kopf wider und eine kleine Ruhe breitet sich langsam aus. Mein Herzschlag verlangsamt sich. Ich schließe die Augen und atme, atme so, wie seit dem Anfang meiner Qual nicht mehr. Dann aber breitet sich Angst aus, diesen Zustand der Ruhe wieder zu verlieren. Und damit fing der nächste Schritt meines Kampfes an.
Ein scheinbar undurchbrechbarer Kreis. Bis die Worte endlich ihre völlige Wahrheit in mir ausbreiten konnten.
Denn meine jetzige Wahrheit lautet: Egal was ist, es ist wie es ist, und das einzig sichere ist, dass die Blume in diesem Moment noch da ist!

Anonym

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